Schwangerschaftsabbruch-Debatte
#219a: Warum jetzt eine Netzdebatte um das Abtreibungsgesetz entsteht
Ärztin Kristina Hänel kämpft vor Gericht für das Informationsrecht von Frauen beim Schwangerschaftsabbruch.
Der Fall Dr. Kristina Hänel und was er mit dir zu tun hat
Die Ärztin Kristina Hänel arbeitet seit 1981 als Ärztin in Gießen. Neben allgemeinen hausärztlichen Tätigkeiten im Thema Frauengesundheit bietet sie auch sachlich korrekte Informationen über eine Abtreibung auf ihrer Website an.
Und genau darum steht sie jetzt vor Gericht. Abtreibungsgegner werfen ihr seit einigen Jahren vor, Werbung für Abtreibungen zu machen. Und unter Berufung auf den Paragraf 219a haben diese Gegner es nun zu einem Prozess gebracht, der am 24.November beginnt.
Aber warum darf man keine Informationen anbieten und was genau besagt der Paragraph eigentlich? Wir haben das für euch zusammengefasst:
§ 219a
Der Paragraph 219a dient laut Strafgesetzbuch dazu, die Werbung um Schwangerschaftsabbruch zu unterbinden. Man darf weder öffentlich noch durch Weitergabe jeglicher Schriften Schwangerschaftsabbrüche ankündigen. Laut des Paragraphen sind alle Möglichkeiten zur Informationsvergabe verboten, die einen Schwangerschaftsabbruch „seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise“ anbietet oder anpreist.
Weil Dr. Hänel auf ihrer Website Frauen die Möglichkeit bietet auch online Informationen über den Abbruch zu erlangen, sieht die Initiative Nie wieder. eV,darin eine öffentliche Werbung für einen Schwangerschaftsabbruch, obwohl Hänel selbst sich keineswegs als Befürworterin eines Abbruchs ausspricht. Sie vertritt lediglich die Position für gerechte, sachliche und korrekte Informationsvergabe.
Petition zum Informationsrecht
Seit Jahren fordert Hänel ein Informationsrecht für Frauen und sagt jetzt dem Paragraph 219a mit einer Petition auf change.org den Kampf an. In ihrer Petition vertritt sie die Meinung, dass gerade „beim Thema Schwangerschaftsabbruch Frauen freie Arztwahl haben und sich medizinisch sachlich und richtig informieren können müssen“. Denn oft entscheiden Beratungsstellen, wo Frauen zum Abbruch hingehen sollten. Nicht die betroffene Person selbst. Wenn Hänel den Prozess gewinnt, könnte damit ein Präzedenzfall geschaffen werden, der den zukünftigen Umgang mit Informationen zum Abbruch stark beeinflussen könnte.
§ 218
In Deutschland ist nicht nur die „Werbung“ zum Schwangerschaftsabbruch gesetzlich geregelt, sondern die Abtreibung als solche auch. Und mit der Aufmerksamkeit um den Fall Kristina Hänel entsteht auch eine Debatte um die gesetzlichen Regelungen zur Abtreibung.
Denn so verrückt wie die Hormone nach der Befruchtung eines Eis spielen, so irre dreht sich zuweilen auch der Kopf im Kreis, wenn man etwa den allerersten Absatz des § 218 StGB zu Schwangerschaftsabbrüchen liest, während man selbst schwanger ist:
§ 218 StGB
Wer eine Schwangerschaft abbricht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (…)
Paragraph 218 besagt, dass eine Abtreibung in Deutschland grundsätzlich verboten ist und nur dann nicht strafrechtlich verfolgt wird, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind, die unter §218a definiert sind - wenn die Schwangerschaft nicht länger als 12 Wochen fortgeschritten ist, die Schwangere sich mindestens 3 Tage vor Abbruch beraten hat lassen und der Abbruch von einem Arzt vorgenommen wird.
§ 218a
- die Schwangere den Schwangerschaftsabbruch verlangt und dem Arzt durch eine Bescheinigung nach § 219 Abs. 2 Satz 2 nachgewiesen hat, dass sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff hat beraten lassen,
- der Schwangerschaftsabbruch von einem Arzt vorgenommen wird und
- seit der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sind.
Kann man den Paragraphen 218 nicht einfach streichen?
Der Paragraph schützt neben dem ungeborenen Leben nicht nur die Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch wünschen, sondern auch jene, die keinen Abbruch wünschen. Eine einfache Streichung des Paragraphen oder Erlaubnis der Abtreibung würde bedeuten, dass Abbrüche durch Gewaltanwendung zum Beispiel durch Dritte erlaubt wären. Somit würde ein jedes Rechtsgut, beispielsweise euer Handy, gesetzlich mehr Schutz erfahren, als das ungeborene Kind.
Schwangerschaftsabbrüche sollten keine leichtfertige Entscheidung sein. Aber gerade darum ist es essenziell, dass eine Frau leichten Zugang zu vollständigen medizinischen Informationen über einen Abbruch finden kann.