"Sei ein Mann"

Ist Männlichkeit giftig? Das Problem mit der Toxic Masculinity

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Hat man es auch mal schwer, wenn man ein Mann ist? Eine Frage, mit der sich feministisch denkende Frauen eher weniger beschäftigen. Warum auch, wenn sich nicht mal Männer die Frage wirklich stellen (wollen). Dass nicht nur Frauen unter dem Patriarchat leiden, sondern tatsächlich auch Männer, beschreibt der wiedergefundene Modebegriff „Toxic Masculinity“.

Auch wenn der Begriff wahnsinnig modern klingt und aus einem Hashtag geboren worden sein könnte, kommt er tatsächlich aus der sogenannten mythopoetischen Männerbewegung der 80er- und 90er-Jahren. Durch Selbsthilfe wollten sie ihre wahre, tiefe Männlichkeit von der giftigen trennen, die die Gesellschaft ihnen aufgezwungen hatte. Toxic Masculinity ist damals wie heute die Gender-Norm, die Männer dazu zwingt, ihre Gefühle zu unterdrücken und sich dominant bis aggressiv zu geben, weil man das von einem Mann ja nun mal so erwartet – oder? „Sei ein Mann.“

Was sind die Nachteile am Mann sein? 

Caitlin Moran ist eigentlich Feministin und Autorin von Büchern wie „Wie ich lernte, eine Frau zu sein“ oder „How to be a girl“. In der vergangenen Woche hat sie sich aber mal nach den Herren erkundigt und in einem Tweet gefragt: „Was sind die Nachteile daran, ein Mann zu sein?“ Zahlreiche Männer, aktuell sprechen mehr als 15.000 Menschen über den Tweet, haben geantwortet. Die meisten beschwerten sich über die „Toxic Masculinity“ – das Gefühl, als Mann immer stark sein zu müssen, körperlich und physisch.

Die am häufigsten beschriebenen Probleme, die Männlichkeit zu vergiften scheinen: Man kann mit niemandem über Schwächen reden, weil Männer glauben, das macht man einfach nicht. Sowieso nimmt man Probleme von Männern nicht so ernst. Zum Beispiel das Problem, dass auch Männer darunter leiden, als hypersexuelles Wesen stigmatisiert zu werden, das immer will und immer kann. Übrigens auch alles Gründe, warum viele Männer trinken, antwortet einer. Dagegen braucht es ein Äquivalent zum Feminismus, für Männer.

Toxic Masculinity ist gefährlich für Männer und Frauen

So wie fast jede Frau von einem #MeToo Erlebnis berichten kann, haben die meisten Männer etwas zum Thema Toxic Masculinity zu sagen. Auch, weil den meisten während der wichtigen Debatte aufgefallen ist, dass sie sich selbst schon mal falsch verhalten haben. Das bedeutet nicht, dass jeder Mann Frauen sexuell belästigt (sicher nicht), es reicht schon ein Satz zum Sohn wie „du bist jetzt der Mann im Haus“ und damit ungesagt: Deine Mama ist es nicht, weil sie eine Frau ist. Wer es übertrieben findet, diesen gängigen Satz so zu interpretieren: Das ist Toxic Masculinity.

Das Problem, das einfach nicht mehr kleingeredet werden darf: In der kollektiven Sozialisierung zum Mann lernt man(n) im schlimmsten Fall schon als kleiner Junge, dass Frauen Objekte sind und zum Eigentum werden können. Es gibt vieles um uns herum, das Männern immer noch signalisiert, sie könnten Frauen jederzeit haben, wenn sie es möchten – dazu gehören schon unnötig sexualisierte Werbungen für Baumärkte und Ähnliches.

Ist jede Männlichkeit giftig?

Männlichkeit, so haben es die meisten gelernt, soll eine harte Schale sein, die Männer beschützt. So eine harte Schale kann ja im Prinzip jeder gebrauchen; sie wird aber gefährlich, wenn sie anderen schadet, weil sie mit der echten Welt nichts mehr zu tun hat. Darum wird Toxic Masculinity gerade als Wurzel allen durch Männer verursachten Übels definiert. Als Grund für sexuelle Übergriffe und Gewalt, manchmal sogar für Amokläufe in Amerika wie zuletzt in Texas im Mai dieses Jahres.

Toxisch ist ein ganz schön hartes Wort, das niemand gerne für das eigene Verhalten verwenden möchte. Tatsächlich unterteilt der Begriff „Toxic Masculinity“ Männlichkeit im Prinzip in Gut und Böse. Er bedeutet aber nicht, dass Männlichkeit oder gleich jeder Mann schlecht ist. Problematisch ist nur die Lehre toxischer Männlichkeit, die sagt, dass Männer mehr wert sind als Frauen. Und darum dann die meisten still sind, wenn jemand einen unpassend sexistischen Witz über eine Kollegin im Büro macht.

Oder wenn dann viele sogar einen Mann zum Präsidenten wählen, der Witze über Frauen macht, zuletzt über das mutmaßliche Opfer von sexuellen Übergriffen, Christine Blasey Ford. In Berichten über Toxic Masculinity geht es seit rund zwei Jahren oft auch um Donald Trump. Niemand stellt sie besser dar, die Definition und das offensichtliche Problem. Er erinnert viele Männer vielleicht an ihre Rollenvorbilder aus der Kindheit. Es wäre besser, am Extrem von Trump zu erkennen, dass diese stereotypen Eigenschaften falsch und gefährlich sind und keine, die einen guten Präsidenten machen. Trump im – unbewussten – Kampf gegen Toxic Masculinity? Das wäre zumindest ein bisschen Sinn für diese Präsidentschaft.

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