Paula Lambert über Fremdgehen

Fremdgehen: Ist das gleich das Ende der Beziehung?

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"Kommst du?" - die Kolumne von Paula Lambert lest ihr wöchentlich neu, hier auf sixx.de. Paula Lambert, bekannt aus der sixx-Sendung "Paula kommt" oder "Paula kommt ... am Telefon", beschäftigt sich in ihrer Kolumne jede Woche mit einem aktuellen oder brisanten Thema rund um Frauen, Männer, Sex, Liebe, Lust und Beziehung. In dieser Kolumne beschäftigt sich Paula mit dem Thema Fremdgehen.

Beziehungen sind eine komplizierte Angelegenheit, das wissen nicht nur die, die in Beziehungen sind, sondern auch jene, die eben keine haben. Während Verliebtheit keine große Kunst ist (Hormone + völliges Ausblenden der Realität), ist alles, was danach oder davor kommt je nach Ausgangslage häufig von Sorgen, Befürchtungen und Ängsten geprägt, die einem das Leben schwer machen. Ich schätze, dass ungefähr 80 Prozent von uns unterbewusst oder bewusst unter Verlustängsten leiden, und selbst wenn die Zahl geringer ist, ist es doch eher unwahrscheinlich, eine angstfreie Bindungsmöglichkeit zu finden. Das macht aber nichts.

Eine der größten Ängste ist der Betrug an der eigenen Loyalität. Geht der Partner fremd, und zwar egal ob im Mikro- oder Makro-Bereich, wird nicht weniger als das eigene Selbst in Frage gestellt. Bin ich nicht wert, geliebt zu werden? Bin ich zu schlecht? Zu langweilig? Zu unattraktiv? Es ist das ulkige an betrogenen Menschen, dass sie nicht unbedingt den fremdgehenden Partner in Frage stellen, sondern zuallererst sich selbst. Sich selbst die entscheidenden Fragen zu stellen (Was habe ich verpennt?) ist zwar nicht falsch, aber das Bedürfnis, sich illoyal zu verhalten, sagt zunächst einmal etwas über den Fremdgeher aus, der betrogen hat, weil eines seiner Grundbedürfnisse, vielleicht sogar mehrere, in der Beziehung nicht befriedigt wurde und derjenige es nicht geschafft hat, darüber zu sprechen. Also eine Schwäche, die im Grunde nichts Sexuelles hat. Und ich finde, man sollte vorsichtig sein mit Schuldzuweisungen, wenn man nicht beide Seiten kennt, auch im Freundeskreis.

Scheitern ist der wesentlichste Teil des Lernprozesses

Einmal habe ich im Freundeskreis massiv Stellung bezogen und darüber eine Freundschaft verloren, nicht weil ich über den Betrug an sich empört gewesen wäre (den ich nachvollziehen konnte), sondern aus Enttäuschung darüber, dass dieser scheinbar reflektierte Mann nicht erwachsen genug war, seine erloschene Zuneigung zuzugeben und die Beziehung zur Ehefrau zu beenden, bevor diese schwanger wurde und nun allein erziehend ist, da er sich fast ausnahmslos seiner Karriere widmet. Hier war die Affäre, die er einging, nicht das Problem, sondern die Konsequenz aus einer Beziehung, die nur noch funktionalistisch war (ich wasche dir die Wäsche/Du besorgst das Geld), sondern die Unfähigkeit beider, sich rechtzeitig die Wahrheit zu sagen. Nämlich, dass sie kreuzunglücklich sind. Man darf aber auch in einer Ehe unglücklich sein und es ist nicht schlimm, das zuzugeben, denn Scheitern ist der wesentlichste Teil des Lernprozesses. Sich die eigene Beziehung gelegentlich mit Abstand anzusehen und zu überlegen, ob es das ist, was man sich wünscht oder ob man nur den eigenen Ängsten folgt (Ich will nicht alleine sein/Ich finde keinen Besseren etc,) ist eine gute Sache. Es dem anderem zu sagen, eine noch bessere.

Ein Betrug muss nicht das Ende sein

Ehrlich zu sein und dann Schmerz zu empfinden, ist in Ordnung und muss nicht das Ende sein. Tatsächlich ist sogar dann erst wahrer Austausch möglich und der ganze Druck, der vorher auf dem Beziehungsthema lastete, verschwindet. Genau so muss ein Betrug nicht das Ende sein, sondern kann neue Möglichkeiten öffnen. Fast immer geschehen Affären oder One Night Stands dann, wenn einer der Partner unerfüllte Bedürfnisse hat, meist ganz einfache Dinge wie das Wahrgenommen werden und das Geschätzt werden. Ein Druckventil zu benutzen, fällt den meisten leichter als den schwereren Weg der Auseinandersetzung zu gehen. Ehrlich in solchen Momenten zu sein („Ich bin in eine Kollegin/Kollegen verschossen und fühle mich zum ersten Mal seit langer Zeit wieder gesehen“ zum Beispiel), kann aber ein Weg sein, die gelebte Beziehung zu vertiefen und wirklich besser zu machen. Das funktioniert natürlich nur, wenn es sich um zwei vernünftige Partner handelt, die sich nicht in totaler Abhängigkeit zueinander befinden. Ein Top-Weg, um jemanden ins Fremdgehen zu treiben ist übrigens, wahnsinnig kontrollierend und eifersüchtig zu sein. Ich habe es selbst ausprobiert, funktioniert einwandfrei. Das braucht wirklich niemand.

Die Angst, dass jemand einen verlassen oder betrügen könnte, sagt ebenso wie beim Betrüger fast ausschließlich etwas über dich selbst aus: Welche Angst liegt in Wahrheit dahinter und wie kannst du sie auflösen? Insofern kannst du Fremdgehen ruhig als Mittel zur eigenen Heilung ansehen. Es sollte nicht mehr und nicht weniger sein.

 

Alles Liebe, Paula

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